
Die Rudelführer- oder Alphatheorie. Dominanz unter Hund und Mensch?
Der Canis lupus familiaris, der Hund, lebt schon seit vielen Tausend Jahren mit dem Menschen zusammen. Genaugenommen war es so: Vor 14’000 Jahren begann die Domestizierung des Hundes. Die Wölfe kamen immer näher zu den menschlichen Siedlungen und schlossen sich dem Menschen an. Sie waren Abfallbeseitiger, Wärmekissen, Bewacher der Sippe und Jagdpartner. So entstanden die ersten doch engen Beziehungen zwischen Mensch und Wolf. Die aggressiven und „menschenfeindlich“ gestimmten Tiere wurden getötet und die „gutgesinnten“ Tiere haben sich weiter fortgepflanzt.
Im Hier und Jetzt ist der Hund als Familienmitglied nicht mehr wegzudenken. Viele Menschen haben einen Hund an ihrer Seite und möchten diesen natürlich auch zu einem folgsamen und treuen Begleiter erziehen. Praktisch niemand möchte ein wildes und unberechenbares Raubtier an der Seite haben. Der Erwartungsdruck an die Hunde ist auch dementsprechend hoch. Kaum ein anderes Tier muss soviel aushalten können wie der Hund. In der heutigen Gesellschaft sind viele hündische Verhaltensweisen nicht mehr gern gesehen. Darunter fällt allem anderen voran das Jagen. Weiter soll sich der Hund nicht überall in dreckigen und stinkigen Dingen wälzen, bellen soll er auch nicht und einfach sein Ding machen soll er auf gar keinen Fall. Er soll immer freundlich sein, gehorchen, alleine zu Hause bleiben können und natürlich immer zurückkommen, wenn man ihn ruft.
Und jetzt kommt die Alphatheorie ins Spiel
David Mech, ein Verhaltensforscher, hat in den 1970 Jahren diese Alphatheorie ins Leben gerufen. Er hat Wölfe in einem Gehege beobachtet. Dazu ist zu erwähnen, dass diese Wölfe von den Menschen ausgesucht wurden und nicht verwandt waren. Man muss auch wissen, dass Wölfe, die in einem Gehege leben, andere Verhalten zeigen, als Wölfe, die in freier Wildbahn leben können. Das Gehege mit seinen unnatürlichen Barrieren hat einen grossen Einfluss auf das Verhalten der Wölfe. In freier Wildbahn können sich die Tiere aus dem Weg gehen und im Gehege können sie das eben nur bedingt. Nun kam es in diesem Gehege mit den zusammengewürfelten Wölfen öfters zu Auseinandersetzungen und David Mech interpretierte das als Machtkämpfe – als Kämpfe um die Alphaposition.
In der freien Natur leben die Wölfe aber völlig anders zusammen. Es sind Familienverbände, sprich das Elternpaar und deren Jungtiere, die noch nicht weiter gezogen sind. Die sogenannten Alphatiere wären hier der Vaterwolf und die Mutterwölfin. Anders als oft dargelegt, finden keine Hirarchiekämpfe statt. Die Wölfe, wie auch die Hunde versuchen soziale Konflikte zu umgehen oder zu vermeiden.
David Mech übertrug nun seine Alphatheorie auch auf die Hunde. Laut dieser Theorie versuchen die Hunde die Menschen ständig zu dominieren. Und so soll doch der Mensch bitte durchgreifen und dem Hund zeigen wer der Meister oder der Alpha ist.
Der grosser Fehler an dieser Alphatheorie oder Rudelführertheorie ist, dass wir Menschen artfremde Wesen sind. Wir sind nicht die biologischen Erzeuger von Hunden und Wölfen. Nein das sind wir gewiss nicht. Und das macht diese ganze Rudelführertheorie überflüssig. David Mech, der Verhaltensforscher hat schlussendlich selber seinen falschen Schluss aus seinen Beobachtungen erkannt und findet auch sein Buch „Der Wolf – Ökologie und Verhalten einer bedrohten Art“, aus den 1990 Jahren für nicht mehr richtig und widerlegt.
Verteidigen die Hunde ständig ihren Status?

Wenn man der Rudelführertheorie oder der Alphatheorie glauben möchte, dann wäre es so, dass die Hunde immer und stetig ihren Status verteidigen. Doch das tun sie nicht! Beobachtungen an Strassenhunden haben gezeigt, dass diese, auch wenn sie nicht verwandt sind, Gemeinschaften bilden. Natürlich gibt es auch Hunde, die lieber für sich alleine leben. Doch auch unter diesen Gemeinschaften sind solche Dominanz- und Alphakämpfe, wie man sie ja erwarten müsste, nicht zu sehen.
Wenn Hunde untereinander dominant reagieren, ist das immer eine Sache die situationsabhängig ist. Ein Hund, der z.B. eine Ressource besitzt und diese vor einem anderen Hund verteidigt, ist in einer anderen Situation zB. Begrüssung unterwürfig. Wenn wir unsere Hunde als Dominant bezeichnen, ist das schlichtweg falsch. Sehr oft sind vom Menschen nicht erkannte oder falsch interpretierte Bedürfnisse des Hundes da, die den Menschen glauben lassen, dass der Hund dominant sei. Das ist aber ein grobes Verständigungsproblem und hat nichts mit Dominanz zu tun. Dazu sein noch erwähnt, das Dominanz keine Charaktereigenschaft ist!
Die Rudelführertheorie oder Alphatheorie im Training
Gemäss diesen Theorien muss der Hund hart angepackt werden, sonst wird er nie gehorchen. Das hat dazu geführt, dass man Hunde auf den Rücken gedreht hat (Alphawurf) oder zu Boden gedrückt hat. Das wird übrigens noch immer an manchen Hundeschulen gelernt und weiter gegeben. Die Rudelführertheorie oder Alphatheorie wird leider immer noch fleissig propagiert. Ein kleiner Wandel hat sich aber vollzogen. Man spricht modern von „Raumverwaltung“ (Der Mensch blockiert den Hund durch bedrohliche Körpersprache und schränkt ihn ein), „körpersprachliches Führen“ (der Mensch blockiert den Hund mit seinem Körper und wirkt auf ihn bedrohlich. Es wird auch versucht die Körpersprache der Hunde zu mimen. Die Hunde sind aber nicht blöd und wissen, dass wir keine Hunde sondern artfremde Wesen sind. Dazu kommt, dass solche Manöver für den Hund oft als unfreundlich und grob rüberkommen. Angst und Stress sind die Folgen), „artgerechte Hundeerziehung“. Darüber hinaus wird auch behauptet, dass Leckerli und Clicker Ablenkungen seinen. Leider wird die Lerntheorie des Hundes weder berücksichtig noch angewendet. Altes wird unter einem neuen Gewand verkauft. So einfach ist das.
Positives Hundetraining schaft eine solide Beziehung mit einer festen Basis an Vertrauen und gegenseitigem Respekt
Viele Verhaltensforscher sind sich einig was die Hundeerziehung anbelangt. Eine gute Beziehung zwischen Mensch und Hund erreicht man nicht durch Unterdrückung, Dominanzgedönse oder Gewalt. Positives Hundetraining ist der Schlüssel zu einem liebevollen Miteinander, das Gehorsam, Respekt und Vertrauen vertritt. Beim positiven Hundetraining wird der Fokus auf das gelegt, was der Hund richtig macht. Diese Verhalten werden alle Verstärkt und deswegen häufig und zuverlässig gezeigt. Unerwünschtes Verhalten kann so erst gar nicht entstehen und wenn man ein Erziehungsproblem hat, dann geht man im positiven Hundetraining der Ursache auf den Grund. Ist diese gefunden, arbeitet man an Alternativverhalten, welche wiederum positiv aufgebaut werden. Ein grosser Vorteil am positiven Hundetraining ist, dass man die Emotionen des Hunden berücksichtig. Emotionen sind nicht einfach Gefühle oder Befinden. Emotionen sind neurobiologische Abläufe, die gezielte Hormone und Neurotransmitter abfeuern. Gute Emotionen schaffen Freud, Motivation und Kooperation. Schlechte Emotionen wie z.B. Angst aufgrund ständiger Dominaz vom Hundeführer*in aus, führen auch beim Hund zu Stress und ist dieser dann chronisch, kann das zu Erkrankungen führen.
Und das sind wir schon beim nächsten Problem des Rudelführer- oder Alphatrainings: Wenn der Hund ständig gemassregelt wird, nur Hinten laufen darf, weggeschoben wird, aversiv angegangen wird, dann führt das zu Frust und chronischem Stress und der macht kann Krank machen. Hunde lassen viel über sich ergehen und viele von ihnen sind am Schluss gebrochen. Dann hat man zwar einen Hund der wie ein Roboter gehorcht, aber er ist gehemmt und traut sich nicht mehr eigenständig Entscheidungen zu treffen aus Angst, dass er wieder etwas falsches macht. Wollen wir das?
Sollten wir nicht eine glückliche, gewaltfreie und faire Beziehung mit unseren Hunden anstreben?